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BAG, Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 87/07

   
Schlagworte: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Verschwiegenheit, Ordnungsverhalten
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 87/07
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.03.2009
   
Leitsätze: Die Abgabe inhaltlich standardisierter Erklärungen, in denen sich Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zum Stillschweigen über bestimmte betriebliche oder geschäftliche Vorgänge verpflichten, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn die Schweigepflicht das sogenannte Arbeitsverhalten betrifft oder gesetzlich geregelt ist.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2006, 18/7 BV 355/06 Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.07.2007, 5 TaBV 223/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 87/07
5 TaBV 223/06
Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

10. März 2009

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 10. März 2009 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft und Lin­sen­mai­er so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Berg und Dr. Hann für Recht er­kannt:
 


- 2 -

Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 5. Ju­li 2007 - 5 TaBV 223/06 - wird zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über ein Mit­be­stim­mungs­recht beim Ab­schluss von Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­run­gen.

Die Ar­beit­ge­be­rin ent­wi­ckelt, ver­treibt und be­treut elek­tro­ni­sche Re­ser­vie­rungs­sys­te­me für Rei­sebüros. Der be­tei­lig­te Be­triebs­rat ist die von den et­wa 600 Beschäftig­ten ih­res Be­triebs B gewähl­te Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung.

Mit sämt­li­chen Beschäftig­ten hat die Ar­beit­ge­be­rin ar­beits­ver­trag­lich fol­gen­de Ab­re­de ge­trof­fen:

„Der Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet sich, während und auch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses Still­schwei­gen über al­le Geschäfts- und Be­triebs­ge­heim­nis­se, ins­be­son­de­re Ver­triebs­we­ge, Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­da­ten ein­sch­ließlich der Kon­di­tio­nen und der­glei­chen, die ihm während sei­ner Tätig­keit für den Ar­beit­ge­ber in ir­gend­ei­ner Wei­se be­kannt ge­wor­den sind, zu be­wah­ren und die­se we­der zu ver­wer­ten oder an Drit­te wei­ter­zu­ge­ben. ...“

Im Jahr 2006 ver­han­del­te die Ar­beit­ge­be­rin mit Dritt­fir­men über mögli­che Um­struk­tu­rie­run­gen. Die auf ih­rer Sei­te an den Ver­hand­lun­gen be­tei­lig­ten Mit­ar­bei­ter er­hiel­ten da­bei Kennt­nis­se über Be­triebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­se. Die Ar­beit­ge­be­rin schloss mit die­sen Mit­ar­bei­tern je­weils ei­ne gleich-lau­ten­de, vor­for­mu­lier­te „Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­rung und Ge­heim­hal­tungs­ver­pflich­tung“. Sie hat aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut:


„... Ihr Ar­beit­ge­ber weist Sie dar­auf hin, dass es sich bei den im Fol­gen­den ge­nann­ten Sach­ver­hal­ten um be­son­ders ver­trau­li­che Geschäfts­ge­heim­nis­se han­delt:
 


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- Pro­jekt „Out­sour­cing Help Desk“ (ins­be­son­de­re Er­wer­ber­su­che, Er­wer­be­r­aus­wahl, Re­quest for pro­po­sals, Due Dil­li­gen­ces, Ver­trags­ver­hand­lun­gen, Ver­hand­lun­gen mit Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern).

Sie wer­den hier­mit dienst­lich an­ge­wie­sen, über Ih­nen im Zu­sam­men­hang mit ei­nem der oben ge­nann­ten Sach­ver­hal­te be­kann­te oder zukünf­tig be­kannt wer­den­de In­for­ma­tio­nen oder Do­ku­men­te Still­schwei­gen ge­genüber Drit­ten zu wah­ren, so­weit die­se nicht auf­grund ih­res Rechts­verhält­nis­ses zur [Ar­beit­ge­be­rin] ... oder durch die­se Ver­ein­ba­rung eben­so zur Ver­schwie­gen­heit hierüber ver­pflich­tet sind. Dies gilt mit Aus­nah­me von In­for­ma­tio­nen und Do­ku­men­ten, die durch die Geschäfts­lei­tung an Drit­te kom­mu­ni­ziert wer­den oder wur­den.


Drit­te im Sin­ne die­ser An­wei­sung und Ver­ein­ba­rung sind al­le be­triebs­frem­den Per­so­nen wie auch die Mit­ar­bei­ter der [Ar­beit­ge­be­rin]. ...


Der Mit­ar­bei­ter/die Mit­ar­bei­te­rin ver­pflich­tet sich, die dienst­li­che An­wei­sung zu be­fol­gen. Das heißt ins-be­son­de­re, dass sich der Mit­ar­bei­ter/die Mit­ar­bei­te­rin ent­spre­chend den Re­ge­lun­gen der oben be­zeich­ne­ten An­wei­sung ge­genüber verhält.

Der Mit­ar­bei­ter/die Mit­ar­bei­te­rin wird hier­mit dar­auf hin-ge­wie­sen, dass ein Ver­s­toß ge­gen die­se An­wei­sung und Ver­ein­ba­rung ei­ne Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten dar­stellt und zu ar­beits­ver­trag­li­chen Kon­se­quen­zen - bis hin zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses - führen kann. ...“

Der Be­triebs­rat hat die An­sicht ver­tre­ten, ihm ste­he beim Ab­schluss sol­cher Ver­ein­ba­run­gen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ein Mit­be­stim­mungs-recht zu. Un­abhängig vom je­wei­li­gen Ge­gen­stand der Schwei­ge­ver­pflich­tun­gen ha­be er mit­zu­be­stim­men, wenn die Ar­beit­ge­be­rin von Ar­beit­neh­mern die Un­ter­zeich­nung ei­ner Erklärung auf ei­nem von ihr ge­stal­te­ten For­mu­lar ver­lan­ge.

Der Be­triebs­rat hat zu­letzt be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass er mit­zu­be­stim­men hat, wenn die Ar­beit­ge­be­rin ge­genüber ein­zel­nen oder ei­ner von ihr ein­sei­tig fest­ge­leg­ten Grup­pe von Ar­beit­neh­mern die Ver­pflich­tung zur Ver­schwie­gen­heit und Ge­heim­hal­tung durch den ge­son­der­ten Ab­schluss ei­ner for­mu­larmäßigen, stan­dar­di­sier­ten Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­rung und Ge­heim­hal­tungs­ver­pflich­tung ver­langt.
 


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Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt, den An­trag ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die be­tref­fen­den Ver­ein­ba­run­gen wie­der­hol­ten und kon­kre­ti­sier­ten nur die oh­ne­hin be­ste­hen­de ar­beits­ver­trag­li­che Pflicht zur Ver­schwie­gen­heit.

Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­schwer­de des Be­triebs­rats zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat sein Be­geh­ren wei­ter.

B. Die Rechts­be­schwer­de ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben den An­trag des Be­triebs­rats zu Recht ab­ge­wie­sen. Von ihm sind Fall­ge­stal­tun­gen er­fasst, in de­nen ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht be­steht.

I. Der An­trag ist zulässig.

1. Der An­trag ist hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im Be­schluss­ver­fah­ren An­wen­dung fin­det. Da­nach muss der An­trag die Maßnah­me, hin­sicht­lich de­rer ein Mit­be­stim­mungs­recht re­kla­miert oder in Ab­re­de ge­stellt wird, so präzi­se be­zeich­nen, dass die ei­gent­li­che Streit­fra­ge zwi­schen den Be­tei­lig­ten mit Rechts­kraft­wir­kung ent­schie­den wer­den kann (BAG 30. Mai 2006 - 1 ABR 17/05 - Rn. 15 mwN, BA­GE 118, 205). Der An­trag wird dem ge­recht. Der Be­triebs­rat re­kla­miert ein Mit­be­stim­mungs­recht, falls die Ar­beit­ge­be­rin von Ar­beit­neh­mern ver­langt, sich ge­son­dert zur Ver­schwie­gen­heit und Ge­heim­hal­tung zu ver­pflich­ten. Zwar wird der Ge­gen­stand des­sen, was von den Ar­beit­neh­mern ver­schwie­gen und ge­heim ge­hal­ten wer­den soll, nicht näher kon­kre­ti­siert. Gleich­wohl ist der An­trag hin­rei­chend be­stimmt. Der Be­triebs­rat möch­te mit­be­stim­men bei der Be­gründung jed­we­der ent­spre­chen­den Ver­pflich­tung, die die Ar­beit­ge­be­rin ein­zel­nen oder ei­ner von ihr ein­sei­tig fest­ge­leg­ten Grup­pe von Ar­beit­neh­mern auf­er­legt. Ein sol­cher Glo­balan­trag ist um­fas­send, aber nicht un­be­stimmt.

Das gilt auch mit Blick dar­auf, dass der Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht nur in An­spruch nimmt, wenn die Pflicht zur Ver­schwie­gen-
 


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heit „durch den ge­son­der­ten Ab­schluss ei­ner for­mu­larmäßigen, stan­dar­di­sier­ten Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­rung und Ge­heim­hal­tungs­ver­pflich­tung“ be­gründet wer­den soll. Die­se Ein­schränkung ist hin­rei­chend be­stimmt. Sie be­grenzt das Be­geh­ren des Be­triebs­rats auf die­je­ni­gen Fälle, in de­nen sich ein oder meh­re­re Ar­beit­neh­mer in ei­ner von der Ar­beit­ge­be­rin vor­for­mu­lier­ten in­halts­glei­chen Erklärung zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­ten sol­len.


2. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 256 Abs. 1 ZPO lie­gen vor. Der Streit über das Be­ste­hen ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts be­trifft ein be­triebs­ver­fas­sungs-recht­li­ches Rechts­verhält­nis. Der Be­triebs­rat be­sitzt das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Zwar ist das Pro­jekt „Out­sour­cing Help Desk“ ab­ge­schlos­sen und soll je­den­falls bis zum Jahr 2009 ein sol­ches Pro­jekt im Be­reich „Help Desk“ nicht er­neut durch­geführt wer­den. Ver­gleich­ba­re Anlässe, aus de­nen die Ar­beit­ge­be­rin be­stimm­te Ar­beit­neh­mer zur Ab­ga­be von Ver­schwie­gen­heits­erklärun­gen auf­for­dern könn­te, sind je­doch wei­ter­hin möglich. Dies hat die Ar­beit­ge­be­rin aus­drück­lich erklärt. Der dem vor­lie­gen­den Ver­fah­ren zu­grun­de lie­gen­de Kon­flikt kann sich des­halb je­der­zeit wie­der­ho­len.

II. Der An­trag ist un­be­gründet. Er er­fasst auch Fall­ge­stal­tun­gen, in de­nen ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht be­steht. Da­mit ist er in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

1. Ein um­fas­sen­des Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats folgt nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG.

a) Nach die­ser Vor­schrift hat der Be­triebs­rat mit­zu­be­stim­men in Fra­gen der Ord­nung des Be­triebs und des Ver­hal­tens der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb. Ge­gen­stand des Mit­be­stim­mungs­rechts ist das be­trieb­li­che Zu­sam­men­le­ben und kol­lek­ti­ve Zu­sam­men­wir­ken der Beschäftig­ten. Es be­ruht dar­auf, dass die Beschäftig­ten ih­re ver­trag­lich ge­schul­de­te Leis­tung in­ner­halb ei­ner vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­ge­be­nen Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­brin­gen und des­halb des­sen Wei­sungs­recht un­ter­lie­gen. Das be­rech­tigt den Ar­beit­ge­ber da­zu, Re­ge­lun­gen vor­zu­ge­ben, die das Ver­hal­ten der Beschäftig­ten im Be­trieb be­ein­flus­sen und ko­or­di­nie­ren sol­len. Sol­che Maßnah­men bedürfen der Zu­stim­mung des Be-

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triebs­rats. Dies soll gewähr­leis­ten, dass die Beschäftig­ten gleich­be­rech­tigt an der Ge­stal­tung des be­trieb­li­chen Zu­sam­men­le­bens teil­ha­ben können (BAG 27. Sep­tem­ber 2005 - 1 ABR 32/04 - Rn. 28 mwN, BA­GE 116, 36).

aa) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats hat der Be­triebs­rat ent­ge­gen dem über­schießen­den Wort­laut nur mit­zu­be­stim­men bei Maßnah­men, die das „Ord­nungs­ver­hal­ten“ der Ar­beit­neh­mer be­tref­fen. Die­ses ist berührt, wenn die Maßnah­me auf die Ge­stal­tung des kol­lek­ti­ven Mit­ein­an­der oder die Gewähr­leis­tung und Auf­recht­er­hal­tung der vor­ge­ge­be­nen Ord­nung des Be­triebs zielt (11. Ju­ni 2002 - 1 ABR 46/01 - zu B I der Gründe, BA­GE 101, 285). Mit­be­stim­mungs­frei sind da­ge­gen Maßnah­men, die das „Ar­beits­ver­hal­ten“ der Beschäftig­ten re­geln. Dar­um han­delt es sich, wenn der Ar­beit­ge­ber kraft sei­nes ar­beits­ver­trag­li­chen Wei­sungs­rechts näher be­stimmt, wel­che Ar­bei­ten aus­zuführen sind und in wel­cher Wei­se das ge­sche­hen soll. Mit­be­stim­mungs­frei sind des­halb An­ord­nun­gen, mit de­nen le­dig­lich die Ar­beits­pflicht kon­kre­ti­siert wird (BAG 27. Sep­tem­ber 2005 - 1 ABR 32/04 - Rn. 29 mwN, BA­GE 116, 36).


bb) Ist das Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer be­trof­fen, wird ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mern den Ab­schluss ei­ner zwei­sei­ti­gen Ver­ein­ba­rung anträgt und nicht ein­sei­ti­ge An­ord­nun­gen er­las­sen will. Das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats nach § 87 Abs. 1 Be­trVG hängt nicht da­von ab, auf wel­chem schuld­recht­li­chen Weg der mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Tat­be­stand ver­wirk­licht wird (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 18, BA­GE 122, 127).


cc) Selbst wenn der Mit­be­stim­mungs­tat­be­stand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG erfüllt ist, weil die frag­li­che Maßnah­me das Ord­nungs­ver­hal­ten steu­ern soll, schei­det ein Mit­be­stim­mungs­recht we­gen § 87 Abs. 1 Ein­lei­tungs­satz Be­trVG aus, falls die be­tref­fen­de An­ge­le­gen­heit ge­setz­lich oder - mit nor­ma­ti­ver Wir­kung zu­min­dest für den Ar­beit­ge­ber - ta­rif­lich ge­re­gelt ist. Ge­setz im Sin­ne der Be­stim­mung ist je­des for­mel­le oder ma­te­ri­el­le Ge­setz, so­weit es sich um ei­ne zwin­gen­de Re­ge­lung han­delt (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 37/01 - zu B II 2 c cc der Gründe, BA­GE 101, 203). Dies be­ruht auf der Erwägung, dass
 


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für ei­ne be­trieb­li­che Mit­be­stim­mung kein Bedürf­nis mehr be­steht, wenn ei­ne den Ar­beit­ge­ber bin­den­de Re­ge­lung durch Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag vor­liegt. In die­sem Fall kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass mit ihr den be­rech­tig­ten und schutzwürdi­gen In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer be­reits Rech­nung ge­tra­gen wor­den ist. Für ei­nen wei­te­ren Schutz durch Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats be­steht kein Er­for­der­nis (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 14/05 - Rn. 21 mwN, AP Be­trVG 1972 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 119 = EzA Be­trVG 2001 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 9).


b) Da­nach kann dem An­trag des Be­triebs­rats nicht ent­spro­chen wer­den. 


aa) Ein An­trag im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren, mit dem ein Mit­be­stim­mungs­recht glo­bal für ei­ne un­ein­ge­schränk­te Viel­zahl von Fall­ge­stal­tun­gen in An­spruch ge­nom­men oder für sämt­li­che Fall­ge­stal­tun­gen ge­leug­net wird, ist ins­ge­samt un­be­gründet, wenn es Fall­ge­stal­tun­gen gibt, in de­nen dem An­trag­stel­ler das be­tref­fen­de Mit­be­stim­mungs­recht nicht zu­steht bzw. wenn es auch nur ei­nen Fall gibt, in dem es be­steht (BAG 3. Ju­ni 2003 - 1 ABR 19/02 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BA­GE 106, 188).


bb) Ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats ist je­den­falls nicht in al­len vom An­trag er­fass­ten Fällen ge­ge­ben. Um­fasst wer­den auch sol­che, in de­nen es am Mit­be­stim­mungs­tat­be­stand fehlt und/oder schon ei­ne ge­setz­li­che Schwei­ge­pflicht be­steht.

(1) Be­trifft die Schwei­ge­pflicht das Ar­beits­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer, liegt schon der Tat­be­stand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG nicht vor. Ob ein Er­su­chen des Ar­beit­ge­bers um die ver­trag­li­che Be­gründung ei­ner Schwei­ge­pflicht das Ord­nungs- oder das Ar­beits­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer berührt, hängt vom Ge­gen­stand ab, über den die­se Still­schwei­gen be­wah­ren sol­len. Da­ge­gen berührt nicht schon das Er­su­chen als sol­ches die be­trieb­li­che Ord­nung und das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb. Die Ab­ga­be von Ver­trags­erklärun­gen durch die Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags be­trifft nicht per se das be­trieb­li­che Zu­sam­men­le­ben und kol­lek­ti­ve Zu­sam­men­wir­ken der Beschäftig­ten. Viel­mehr kommt es dar­auf an, ob die so be­gründe­ten Rech­te und Pflich­ten ei­ne

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Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­pflicht oder kol­lek­ti­ve Ord­nungs­re­geln dar­stel­len. In ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung, die der Be­gründung neu­er und ei­genständi­ger oder der Erfüllung schon be­ste­hen­der Ver­pflich­tun­gen dient, die le­dig­lich das Ar­beits­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer steu­ern sol­len, liegt kei­ne die be­trieb­li­che Ord­nung oder das be­trieb­li­che Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer be­tref­fen­de Maßnah­me (vgl. für Ver­trags­stra­fen­ab­re­den nach § 339 BGB BAG 5. Fe­bru­ar 1986 - 5 AZR 564/84 - zu B I 3 der Gründe mwN, AP BGB § 339 Nr. 12 = EzA BGB § 339 Nr. 2).


(2) Da­mit sind zwar Fälle denk­bar, in de­nen ei­ne Schwei­ge­pflicht die be­trieb­li­che Ord­nung be­trifft. Das dürf­te bei­spiels­wei­se dann gel­ten, wenn die Beschäftig­ten sich ver­pflich­ten sol­len, un­ter­ein­an­der nicht über die Durchführung von Tor­kon­trol­len zu spre­chen. Vom An­trag wer­den je­doch zahl­rei­che Fälle er­fasst, in de­nen sich ei­ne von der Ar­beit­ge­be­rin gewünsch­te Schwei­ge­ver­ein­ba­rung als bloße Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­pflicht dar­stellt. Dies gilt et­wa für den ursprüng­li­chen Kon­flikt der Be­tei­lig­ten. Die den mit dem Pro­jekt „Out-sour­cing Help Desk“ be­fass­ten Mit­ar­bei­tern an­ge­son­ne­ne Schwei­ge­ver­ein­ba­rung be­zog sich auf be­stimm­te geschäft­li­che In­for­ma­tio­nen, die ih­nen im Zu­sam­men­hang mit der Pro­jekt­pla­nung und -durchführung be­kannt würden. Die Ab­re­de, über die­se In­for­ma­tio­nen Still­schwei­gen zu be­wah­ren, ist ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung der ar­beits­ver­trag­li­chen Pflicht zur Rück­sicht­nah­me iSv. § 241 Abs. 2 BGB. Sie trifft nicht das Ord­nungs- son­dern das Ar­beits­ver­hal­ten der Pro­jekt­mit­ar­bei­ter. Das glei­che gilt für die schon in den ursprüng­li­chen Ar­beits­verträgen ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung, über Geschäfts- und Be­triebs­ge­heim­nis­se zu schwei­gen und sie nicht an Drit­te wei­ter­zu­ge­ben.

(3) Der An­trag er­fasst fer­ner Fälle, in de­nen ei­ne Schwei­ge­pflicht schon auf­grund der ge­setz­li­chen Re­ge­lung in § 17 Abs. 1 UWG be­steht. Nach die­ser Vor­schrift macht sich straf­bar, wer als Ar­beit­neh­mer ein Geschäfts- oder Be­triebs­ge­heim­nis, das ihm im Rah­men des Ar­beits­verhält­nis­ses an­ver­traut wor­den oder zugäng­lich ge­wor­den ist, während der Gel­tungs­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses un­be­fugt an je­man­den zu Zwe­cken des Wett­be­werbs, aus Ei­gen­nutz, zu­guns­ten ei­nes Drit­ten oder in der Ab­sicht, dem Ar­beit­ge­ber Scha­den
 


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zu­zufügen, mit­teilt. Geschäfts- und Be­triebs­ge­heim­nis­se sind Tat­sa­chen, die im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Geschäfts­be­trieb ste­hen, nicht of­fen­kun­dig, son­dern nur ei­nem eng be­grenz­ten Per­so­nen­kreis be­kannt sind und nach dem be­kun­de­ten Wil­len des Be­triebs­in­ha­bers ge­heim ge­hal­ten wer­den sol­len, wenn die­ser an de­ren Ge­heim­hal­tung ein be­rech­tig­tes wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se hat (BAG 13. Fe­bru­ar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 32 mwN, BA­GE 121, 139; 15. De­zem­ber 1987 - 3 AZR 474/86 - zu B I 2 a der Gründe, BA­GE 57, 159; ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 711). Die in § 17 Abs. 1 UWG be­zeich­ne­ten Ver­hal­tens­wei­sen sind ei­ner Re­ge­lung durch die Be­triebs­par­tei­en nicht mehr zugäng­lich. Da­mit ist ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG zu­min­dest we­gen des Ge­set­zes­vor­rangs aus­ge­schlos­sen.


(4) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­triebs­rats be­trifft al­lein das Zu­stan­de­kom­men „for­mu­larmäßiger, stan­dar­di­sier­ter Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­run­gen“ nicht das mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ord­nungs­ver­hal­ten. Zwar lie­gen in der An­ord­nung des Ar­beit­ge­bers, für An­ga­ben über den Be­sitz von Wert­pa­pie­ren ein von ihm vor­ge­fer­tig­tes For­mu­lar zu ver­wen­den, und in der An­wei­sung, die Not­wen­dig­keit ei­nes Arzt­be­suchs während der Ar­beits­zeit durch ein vor­ge­ge­be­nes For­mu­lar zu be­le­gen, mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge, das Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer steu­ern­de Re­ge­lun­gen (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - zu B III 2 a der Gründe, BA­GE 101, 216; 21. Ja­nu­ar 1997 - 1 ABR 53/96 - zu B I 2 der Gründe, AP Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­trie­bes Nr. 27 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 23). Da­bei geht es je­doch dar­um, dass die Ar­beit­neh­mer selbst sich in be­stimm­ter, je­weils glei­cher, stan­dar­di­sier­ter Wei­se ver­hal­ten sol­len. Im vor­lie­gen­den Fall lie­gen die Din­ge an­ders. Hier sol­len die Ar­beit­neh­mer le­dig­lich be­stimm­te, in­halt­lich stan­dar­di­sier­te Erklärun­gen ab­ge­ben, oh­ne dass von der Ar­beit­ge­be­rin da­bei auf die Art und Wei­se ih­res Ver­hal­tens Ein­fluss ge­nom­men würde. In den vom An­trag er­fass­ten Fällen geht es nicht um ei­ne Stan­dar­di­sie­rung des Ver­hal­tens der Ar­beit­neh­mer, son­dern um die Ab­ga­be in­halt­lich glei­cher Erklärun­gen. Das ist kein Fall von § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG.


2. Ei­ne wei­te­re Grund­la­ge für ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats


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kommt nicht in Be­tracht.


Schmidt 

Lin­sen­mai­er 

Kreft

Rath 

Hann

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